Tag mit Überraschung

Der heutige Tag startete kühl und feucht mit Niesel bei 14 °C. Wir hatten vor nach Südwest-Texas etwa 110 Meilen vor die Grenzen Mexikos zu fahren. Dort war es mit knapp 30 °C deutlich wärmer, und dort befand sich auch eine Konvergenzlinie, an der feuchte Luft aus Osten auf trockene Luft aus Westen traf. Dort rechneten wir um die Nachmittagszeit mit schweren Gewittern. Einige von uns hatten Zweifel daran, dass es überhaupt richtig auslösen würde. Die Vorhersage des SPC klang nicht so vielversprechend, wie in den Tagen zuvor. Selbst wenn die Lage floppen würde, könnten wir immer neue Landschaftseindrücke einfangen.

Bis in das Chasegebiet waren es etwa 150 Meilen. Gemütlich in die Richtung fahren und dann erst gemütlich Essen gehen. Das übliche Frühstück (Toast mit Marmelade, Cornflakes, Kuchen mit Zuckerguss) hatten einige schon satt. Lieber noch etwas hungern und gegen Mittag den Bauch vollschlagen. Es sollte alles anders kommen.

Nach halber Strecke meldete sich plötzlich das Weather Radio: Tornado-Warnung. Die atmosphärischen Bedingungen für Tornados waren ab sofort bis zum Abend gegeben. Wir schauten uns etwas verwundert.an. Jetzt? Hier? In diesem trüben, kalten Suppe? Keine 10 Minuten später fing es an zu regnen. Kleine Hagelkörner kamen dazu. Kurze zeit später Sturzregen. Wir fuhren die nächste Ausfahrt raus. Hier standen die Straßen unter Wasser. Schnell tanken und das Radar checken.

Das Weather Radio meldete sich mit seinem charakteristischen Piepton für Warnungen. Starkes Gewitter mit Flashflood-Gefahr und großen Hagel. Die Auslöse fand viel früher statt als , und weiter östlich. Also mit Essen gehen, war es das. Das Chasing ging direkt los. Erste Priorität,aus dem Kern rauskommen. Schnell waren wir aus dem Regen raus und unter dem Aufwindbereich der Zelle. Links vor uns konnte man heftige Rotation ausmachen. Rechts von uns jetzt auch. Kurze Zeit später vor uns. Wir wussten gar nicht so genau, wo wir hinschauen sollten. Die ersten Funnel waren zu erkennen. Die Zelle zog langsam noch Nordosten weiter. Wir drehten und fuhren ihr hinterher. Das Dumme war, dass sich der Niederschlagskern genau zwischen uns und dem rotierenden Aufwindbereich befand und uns das Straßennetz keine Optionen anbot, die uns wieder an diesen herangeführt hätte, ohne durch den Kern fahren zu müssen. Wir mussten diese Zelle ziehen lassen.

Jedoch gab es hinter uns bereits neue Zellen. Sie waren wie auf einer Perlenschnur aneinander gereiht. Unser Ziel war es, an die letzte Zelle im Südwesten heranzufahren. An ihr dürften die schönsten Strukturen zu sehen sein. Um dorthin zu gelangen, mussten wir allerdings zurück in die Stadt, in der es Überschwemmungen gab, um von dort auf die Interstate zu fahren. Auf der Kreuzung zur Auffahrt stand das Wasser bestimmt 30-40 cm tief. Auf der Interstate kamen wir schnell an das Gewitter heran, weil es uns entgegen kam. Der Niederschlagsbereich war allerdings schneller an der Ausfahrt, als uns lieb war. Wir bogen auf einen Highway Richtung Süden ab. Es schüttete wie aus Eimern. Die Sicht wurde immer schlechter. Hagel kam dazu. Erst kleiner, dann größerer. Es polterte auf dem Dach.

Hoffentlich wird er nicht noch größer, dachten wir uns. Blitze sah man im dichten Niederschlag so gut wie keine. Endlich nahm der Niederschlag ab. Wir waren aus dem gröbsten heraus. Die Strukturen der Regenfreien Basis wurden sichtbar. Eine Wallcloud kam zum Vorschein. Wir verlegten noch mal ein paar Meilen und hielten erneut. Beim Aussteigen blies uns der Outflow-Wind mit knapp 70 km/h aus der sich entfernenden Zelle entgegen. Während wir Fotos und Videos am laufenden Band produzierten, entwickelten sich neue Zellen an der Südwestflanke. Die Fallstreifen konnte man gut sehen. Immer wieder zuckten Erdblitze aus der Neuentwicklung. Obwohl die Fallstreifen recht unscheinbar aussahen, zeigte das Radar schon die höchste Reflektivitätsstufe an (>55 dBZ). Dort war also schon sehr wahrscheinlich Hagel mit von der Partie. Und die neuen Zellen kamen direkt auf uns zu. Wir mussten also schnell weiter. Wie so oft war es ein Spiel gegen die Zeit. Wer wird zuerst die Kreuzung zur Straße aus der Zugbahn erreichen, die Zelle oder wir? Antwort: Wir, aber nur ganz knapp. Unterdessen entstand unter der regenfreien Basis eine schöne Wallcloud. Aussteigen konnte man aber keinesfalls, denn um uns herum schlugen die Blitze in den Boden ein. Einer davon traf einen Öltank, der daraufhin in Flammen aufging. Wenig später waren wir aus der Gefahrenzone heraus und konnten unsere Kameras herausholen. Wir waren alle nahezu sprachlos, was uns die Zelle bot.

Südwestlich dieser schönen Zelle gab es bereits den nächsten Aufwindturm, der von seinem Erscheinungsbild einer LP-Zelle glich. Hin und wieder zuckten Blitze vor dem dichten Niederschlag und schlugen als lang andauernde mehrfach Entladungen in den Boden ein. Teilweise dauerten diese Entladungen weit über 3 Sekunden. Der Komplex fraß sich nun nach Südosten in die energiereiche Luftmasse hinein. Es wurde langsam dunkel. Im Licht der untergehenden Sonne erstrahlten die Quellungen der Aufwindbereiche in einem wunderschönen Orange-Ton. Der Amboss erstreckte sich über uns nach hinten bis fast an den Horizont. Die Blitzshow in dem Komplex wurde langsam sichtbar. Erst war es nur als helles Aufleuchten hier und da zu erahnen. Nachdem aber die Sonne ihren Dienst einstellte, wurde das Spektakel immer deutlicher. Wir fuhren noch ein Stück näher an den Gewittercluster heran. Vor unserer Windschutzscheibe flackerte es fast durchgehend. Im Prinzip war es trotz Dunkelheit eher hell als dunkel. Wir hätten wahrscheinlich auch ohne Licht Auto fahren können. Es blitzte wie Teufel, manchmal 4-5 Mal pro Sekunde! Auch wenn die meisten Blitze nur als Flackern im Niederschlag zu erkennen waren, war es ein atemberaubendes Spektakel. Das war ein Stroboskopgewitter aus dem Lehrbuch! Einige Blitze verirrten sich vor den Niederschlagsvorhang. Wenn dies weiter oben im Amboss geschah, liefen die Arme der Blitze nicht selten sternförmig auseinander, als wollten sie nach uns greifen. Wir suchten uns einen Standort, wo wir unser Fotoequipment aufbauen konnten und ließen diesen fesselnden Gewittertag mit ein paar Blitzfotos ausklingen.

Hier nun ein paar Bilder.

 

 

 

 

 

 

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